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Vom Wasser und vom Wein

Ich weiß mir ein Liedlein, hübsch und fein,
Wohl von dem Wasser, wohl von dem Wein,
Der Wein kann's Wasser nit leiden,
Sie wollen wohl alleweg streiten.

Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
Man führt mich in alle die Länder hinein,
Man führt mich vor's Wirt sein Keller,
Und trinkt mich für Muskateller.

Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
Ich laufe in alle die Länder hinein,
Ich laufe dem Müller ums Hause
Und treibe das Rädlein mit Brause.

Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
Man schenkt mich in Gläser und Becherlein
Und trinkt mich für süß und für sauer,
Der Herr als gleich wie der Bauer.

Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
Man trägt mich in die Küche hinein,
Man braucht mich die ganzen Wochen
Zum Waschen, zum Backen, zum Kochen.

Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
Man trägt mich in die Schlacht hinein,
Zu Königen und auch Fürsten,
Daß sie nicht mögen verdürsten

Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
Man braucht mich in den Badestüblein,
Darin manch schöne Jungfraue
Sich badet kühl und auch laue.

Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
Bürgermeister und Rat insgeheim
Den Hut vor mir abnehmen
Im Ratskeller zu Bremen.

Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
Es gehen die Schiffe groß und klein,
Sonn, Mond auf meiner Straßen
Die Erd tu ich umfassen

Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
Man pflanzt mich in die Gärten hinein,
Da laß ich mich hacken und hauen
Von Männern und schönen Jungfrauen.

Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
Ich laufe dir über die Wurzel hinein
Wär ich nicht an dich geronnen
Du hättest nicht können kommen

Da sprach der Wein: Und du hast recht,
Du bist der Meister, ich bin der Knecht,
Das Recht will ich dir lassen,
Geh du nur deiner Straßen.

Das Wasser sprach noch:
Hättst du mich nicht erkannt,
Du wärst sogleich an der Sonn verbrannt!
Sie wollten noch länger da streiten,
Da mischte der Gastwirt die beiden.

aus Des Knaben Wunderhorn (1808)