16. Dezember

Die Wünsche und Träume der Apfelbäumchen - 02
eine Geschichte von Urte Delft

"Das ist sie auch. Und hübsche Früchte wird sie auch haben. Gar nicht mal so klein." "Woher willst du das alles wissen, du schlauer Star?" fragte der Sämling.

"Ich an deiner Stelle würde gut aufpassen, wo ich hinkomme." Sagte der Star. "Warum?"

"Wenn du an eine Landstraße gepflanzt wirst, dann hast du große Schwierigkeiten majestätisch dazustehen." "Das verstehe ich nicht. Ich würde wachsen nach allen Seiten und schöne Äpfel bringen."

"Ha, das denkst du dir. Aber da fahren die eine Seite die Laster und die andere die großen Mähdrescher und fahren deine untersten Äste ab. Und wenn die es nicht geschafft haben, kommen Menschen mit Säge und schneiden dir ein Lichtraumprofil", erwiderte der Star.

"Was soll denn das sein?"

"Das ist der im Gesetz vorgeschriebene "lichte Raum", der auf dem Fahrweg freizuhalten ist. Auf einer Straße sind 4,50 m von Gegenständen freizuhalten, dazu zählen die Menschen auch die Äste, Zweige und Äpfel seiner Majestät."

"Das glaube ich nicht. Wenn ich meine Äste erst in einer Höhe von 4 Meter fünzig über die Straße bringen kann, kommt ja kein Mensch mehr an meine Früchte."

"Das sage ich doch. Die Früchte, die dann herunterfallen sind Matsch, die will nicht mal mehr eine Mosterei. Dann bist du nutzlos, machst mit dem Laub und den Matschäpfeln nur Ärger, darfst nicht zur Seite wachsen, nach oben bringt dir auch nichts. Dann wirst du unglücklich und krank, gefährdest die Verkehrssicherheit und wirst gefällt."

Tränen tropten von seinen Zweigen. "Gibt es keine Lösung."

"Lass dich doch auf eine Wiese pflanzen, da haben die meisten mehr Glück. Da darfst du dich ab der Höhe verzweigen, wo die Schafe und Rinder nicht mehr herankommen. Pass aber auf, dass sie bei solchen Weiden einen Schutzzaun um deinen Stamm machen. Und dass sie dich ordentlich schneiden. Wenn sie dir städig die Leitäste kappen, mit denen du deine majestätisch anmutende Krone gestalten willst, siehst du aus wie eine Vogelscheuche. Eine, die mich nicht im geringsten beeindruckt. Kann auch sein, dass so ein Bursche dich beschneidet, der seine neuen Sägen und Schren ausprobieren will. Die sind ziemlich brutal und schneiden dir fast alles zurück, was du letztes Jahr gewachsen bist. Dann ärgerst du dich und schießt mit Wasserschossern senkrecht nach oben. Die gefallen den Menschen auch nicht, schneiden sie dir auch ab. Dann machst du neue Wasserschosser, weil du wieder so ärgerlich bist und bildest keine Blüten und Früchte. Und wer nicht blüht und fruchtet wird gefällt."

© Urte Delft